Frauen kümmern sich ähnlich engagiert wie Männer um die eigenen Finanzen. Doch Unterschiede in der Biografie und in der Herangehensweise sind nicht zu leugnen. Brauchen Frauen deshalb eine gesonderte Ansprache in der Finanzberatung?
Lüneburg. Es ist kein Zufall, dass Anfang des Jahres gleich zwei neue Podcasts zum Thema Frauen und Finanzen an den Start gegangen sind. So will der gemeinnützige Verbraucher-Ratgeber Finanztip mit „Auf Geldreise“ einmal die Woche Frauen motivieren, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen. Auch die Zeitschrift Brigitte startet mit dem Podcast „What The Finance?“ ein neues Angebot, das Themen wie Altersvorsorge, Unabhängigkeit, Aktien, ETFs und Bitcoins auf einfache Weise erklärt.
Ob Podcasts, ob spezialisierte Blogs wie Madame Moneypenny, Finmarie oder weitere frauenspezifische Portale wie Finanz-Heldinnen – das Angebot für Frauen in Sachen Finanztipps wächst rasant. „Das Thema Finanzberatung für Frauen ist derzeit in aller Munde und bekommt endlich den Stellenwert, den es verdient“, sagt Iris Albrecht, Geschäftsführerin der gleichnamigen Finanzkommunikation. Auch immer mehr Banken und Sparkassen sprechen speziell Frauen als Zielgruppe an, hat die Kommunikationsexpertin beobachtet. Zu Recht. „Es ist für Frauen die pure Notwendigkeit, sich mit der finanziellen Vorsorge auseinanderzusetzen – und das möglichst frühzeitig“, so Albrecht.
Dass gerade bei Frauen im Alter das Geld nicht ausreichen wird, zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Demnach wird der Anteil der 67-jährigen alleinstehenden Frauen, die von staatlichen Leistungen abhängig sein werden, von 16,2 Prozent im Jahr 2016 auf 27,8 Prozent 2036 steigen. Gleichzeitig liegt die Scheidungsquote auf einem hohen Niveau. Nicht zuletzt ist das durchschnittliche Lebensalter von Frauen deutlich höher als das der Männer.
Beratungsbedarf ist komplexer
„Frauen sind definitiv häufiger von Altersarmut betroffen“, erläutert Iris Hoschützky, Vorstandsmitglied des Financial Planning Standards Board Deutschland (FPSB Deutschland), und verweist auf eine Studie der Universitäten Mannheim und Tilburg im Auftrag von Fidelity International. Demnach erhalten Frauen in Deutschland 26 Prozent weniger gesetzliche Rente als Männer. „Und da die Lebensläufe der Frauen oft durch Brüche und Wendepunkte gekennzeichnet sind, wie Babypausen oder vorübergehende Teilzeittätigkeit, ist der Beratungsbedarf komplexer“, so Hoschützky.
Aus ihrer täglichen Arbeit weiß sie aber auch von einem Nachteil, der den meisten weiblichen Kunden nicht bewusst ist und der meist auch nicht angesprochen wird: Frauen fehlt häufig – abseits der Partnerschaft – eine vernünftige Absicherung. Spezielle Regelungen für Partner, die ohne Trauschein zusammenleben, sind oft nur unzureichend. Während rund um die Ehe nahezu alles juristisch geklärt ist, treten beim Zusammenleben ohne gesicherten rechtlichen Rahmen – also ohne Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft – finanzielle Risiken auf, insbesondere für die oft wirtschaftlich schwächere Partnerin. Das gilt zum Beispiel für Ansprüche auf Unterhalt und den Ausgleich von Anrecht auf eine Altersversorgung. Auch beim Thema Erbe gebe es einige Fallstricke zu beachten.
Constanze Hintze berät seit mehr als 30 Jahren Frauen zu Fragen der Vermögensplanung und der Altersvorsorge. Die Geschäftsführerin von Svea Kuschel und Kolleginnen Finanzdienstleistungen für Frauen ist überzeugt, dass Frauen anders ticken als Männer. „Während Männer sich häufig einbilden, sie wüssten es, suchen Frauen oft jemanden, der sie gut informiert, ihnen aber auch die Entscheidung abnimmt, nach dem Motto: Ich kenne mich nicht aus, und ich will es auch gar nicht“, berichtet die Bankkauffrau. Hintze spricht dabei ein grundsätzliches Problem an: Mit Finanzen beschäftigen sich die wenigsten Menschen gerne, es ist ein wenig emotionales Thema. Während sich viele leidenschaftlich mit dem Kauf eines neuen Smartphones beschäftigen, wirft kaum jemand begeistert einen Blick auf die Rentenversicherungspolice. Die Aufgabe der Finanzberatung muss es also sein, das Thema mit Emotionen zu füllen.
Über Geld zu sprechen, ist besonders bei jüngeren Frauen gesellschaftsfähig geworden.
Iris Albrecht, Iris Albrecht Finanzkommunikation
Ein Wandel zeichnet sich ab: „Über Geld zu sprechen, ist besonders bei jüngeren Frauen gesellschaftsfähig geworden. Immer mehr Frauen gelangen zu der Einsicht, dass sie etwas tun müssen“, sagt auch Iris Albrecht. Sie glaubt, dass sich Frauen im Allgemeinen zwar weniger für Wirtschafts- und Finanzthemen interessieren. Aber: Je intensiver sich Frauen mit Risiken und Chancen beschäftigen, umso klarer wird ihr Anlageziel.
Das Potenzial ist vorhanden: Wie eine europaweite Umfrage von JP Morgan Asset Management ermittelt hat, verfügen Europäerinnen zwischen 30 und 65 Jahren über ein angespartes Kapital von rund 200 Milliarden Euro, das sie an den Finanzmärkten anlegen könnten. 45 Milliarden Euro davon entfallen auf Frauen aus Deutschland und Österreich. „Das sind wohlgemerkt nicht die gesamten Ersparnisse der befragten Frauen, sondern es ist vielmehr der potenzielle zusätzliche Anlagebetrag, den sie für Kapitalmarktinvestments in Betracht ziehen würden – wenn sie nur die richtige Motivation finden würden“, erläutert Pia Bradtmöller, Leiterin Marketing & PR für Deutschland und Österreich bei JP Morgan Asset Management.
Die Herausforderung für Berater liegt darin, dass Frauen bei der Geldanlage vor allem risikoscheu sind. Die Umfrage zeigt: Frauen sind sehr viel sensibler, wenn es um Kursschwankungen und Verluste geht. Entsprechend sind sie bei ihrer Geldanlage zurückhaltender und setzen seltener auf ertragsstärkere Kapitalmarktinvestments.
Entscheidend: Empathie
Doch für Kommunikationsexpertin Albrecht sind immer noch viele Klischees mit dem Thema Finanzberatung für Frauen verbunden: „Frauen brauchen keine andere Ansprache in der Finanzberatung als Männer.“ Es gehe vielmehr vor allem um Empathie: „Nur wenn sich der Berater oder die Beraterin wirklich in die Bedürfnisse der Kundin hineinversetzt, sich entsprechend Zeit nimmt und Vertrauen aufbaut, führt die Beratung zum Erfolg“, sagt die ehemalige Vermögensberaterin.LEADSDie neue harte Währung im VertriebDer Vertrieb von Finanzprodukten verlagert sich immer stärker ins Internet und zu sozialen Medien. Für Berater kommt es entscheidend darauf an, aus Surfern echte Interessenten zu machen. Ein gut durchdachtes Lead Management hilft dabei. Das steckt dahinter.
Auch Beraterin Hintze ist überzeugt, dass Frauen keine andere Ansprache benötigen. „Bei uns gibt es keine Schalter-Atmosphäre. Die Tür ist zu, im Raum stehen keine Computer, und es gibt auch kein Zeitlimit“, beschreibt die Beraterin. Das komme gut an: Denn laut Hintze haben Frauen häufig das Gefühl, bei der Bank nur einer unter vielen zu sein. Daneben ist für die Expertin aber noch ein anderer Punkt wichtig: Es geht um Lösungen statt um Produkte. „In der Beratung durch mein Team und durch mich geht es ja vor allem darum, die Frau dort abzuholen, wo sie steht. Und das ist individuell sehr unterschiedlich“, sagt Hintze. Offenbar gelingt es Beraterinnen etwas besser, Vertrauen aufzubauen, das weiß auch Hintze. „Gleiche Lebenserfahrungen und Wertvorstellungen schaffen eine bessere Verbindung. Natürlich können Frauen besser die relevanten Themen identifizieren, viele Kundinnen schätzen das besonders.“
Die Finanzindustrie hat bei Frauen noch immer Nachholbedarf: „Die Finanzbranche könnte Frauen viel stärker einbinden, damit sie ihr Vermögen vermehren und ihre Anlageziele besser erreichen“, glaubt Marketingexpertin Bradtmöller von JP Morgan Asset Management. „Wir können mehr tun, um Frauen Informationen anzubieten, die einfach zugänglich und ansprechend sind. Dann können Frauen aktiver werden, wenn es darum geht, ihr Erspartes zu vermehren und die Kontrolle über ihre finanzielle Zukunft zu übernehmen.“
Um das zu erreichen, sollte die Beraterzunft nach Ansicht von Iris Albrecht über neue Ansätze nachdenken. „Ich rechne damit, dass der Trend immer mehr in Richtung Finanzcoaching und ganzheitliche Finanzplanung geht. Der Kunde, egal ob Mann oder Frau, sucht einen professionellen Partner, der ihm zur Seite steht, ihn in allen Finanzfragen betreut und so einen deutlichen Mehrwert stiftet.“ Diese Konzentration auf die Kundenbeziehung dürfte künftig eine wichtigere Rolle einnehmen.
Diesen Artikel von Heino Rennst veröffentliche ich mit freundlicher Genehmigung des Handelsblatt – Finanzberater Edition.